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Die Enthüllung - Interview mit Ben Nevis
+++ Pseudonym gelüftet! +++
Titus ist tatsächlich vom Stuhl gefallen, als Mitte März das
Telefon klingelte, und eine Stimme verkündete: "Hallo Titus, hier
spricht Ben Nevis!" Bislang war der geheimnisvolle "Drei ???"-Autor peinlichst
darauf erpicht gewesen, seine wahre Identität hinter dem Pseudonym
"Ben Nevis" zu verbergen - deshalb erhielt Titus die Antworten für
die Fragebox bislang auch immer auf einer per Post zugesandten Diskette
ohne jegliche Hinweise oder Fingerzeige. Daß sich Ben Nevis nun persönlich
am Telefon meldete, war sensationell! Doch es kam noch dicker: Titus erkannte
die Stimme sofort. Und Ben Nevis gab sich keine Mühe mehr, es abzustreiten:
"Ja, hier ist Joschka Fischer!"
Kaum hatte Titus den Schock verdaut und die ersten sehr einleuchtenden
Erklärungen erhalten, verabredeten der Bundesaußenminister und
er einen Termin für ein Treffen am Frankfurter Flughafen. Nach diesem
kurzen Hintergrundgespräch wurden Fragen für ein offizielles
Interview zusammengestellt, die Joschka Fischer am Donnerstag, den 21.03.2002,
beantwortete. Lest den genauen Wortlaut, den wir heute hier veröffentlichen:
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Herr Fischer, Ihre Nachricht hat uns sehr überrascht.
Denkt man an vergleichbare Beispiele, so haben Politiker, die Unterhaltungsliteratur
veröffentlichen, zumeist ihre politische Laufbahn, zumindest aber
ihren Zenit, hinter sich: Horst Ehmke schreibt heutzutage Wirtschaftskrimis,
Norbert Blüm hat ein Kinderbuch verfasst (und sitzt in einer Quizshow),
und selbst Ihre ehemalige Parteigefährtin Jutta Ditfurth versuchte
sich bereits im Genre der Kriminalliteratur. Was hat Sie dazu bewogen,
nach fünfjähriger Geheimniskrämerei jetzt, da Sie amtierender
Außenminister und Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland sind,
das Geheimnis Ihrer Autorenschaft für die "Drei ???" zu lüften?
Blüm, Ehmke - nette Kollegen-Beispiele, die Sie da nennen,
und wie ich gehört habe, möchte meine Bündnis- und Namensgenossin
Andrea Fischer auch zu dem erlauchten Kreis der Schriftsteller stoßen.
Aber bei aller Ehre: Meine Auflagen sind zwar höher, nur liegt das
nicht an meiner Autorenschaft, sondern an den unermüdlichen Jungs
aus Rocky Beach und ihrer schier grandiosen Vorarbeit seit über drei
Jahrzehnten. 1968 war das Startjahr, zumindest in Deutschland, das verbindet
- und Justus, Peter & Bob gehören zu den seltenen Exemplaren von
Achtundsechzigern, die sich treu geblieben sind. Ganze zwei Jahre älter
geworden - schaut mich dagegen mal an... Und was mich bewogen hat, mein
Geheimnis zu lüften? Da müssen Sie noch eine Frage warten. |
Am 22. September wird ein neuer Bundestag gewählt.
Sie sind der Spitzenkandidat von Bündnis90/Die Grünen. Im Sommer
1998, während des Wahlkampfes, übernahm Kanzlerkandidat Gerhard
Schröder u.a. eine Minirolle in "Gute Zeiten, Schlechte Zeiten". Ist
Ihr Schritt aus der Anonymität zu diesem Zeitpunkt nicht doch eher
als ein eben solcher Versuch zu deuten, bei den jungen Wählern auf
unkonventionelle Weise Punkte zu holen und Ihre Partei aus dem Umfragentief
zu hieven?
Sie meinen allen Ernstes, ich hätte das vor fünf Jahren
clever eingefädelt? Als PR-Gag auf diesen Tag genau? Aber ich heiße
doch nicht Guido Westerwelle und trete publicityträchtig der Containergemeinde
bei! (Leider ließ man ihn ja auch wieder heraus.) Nein. Meine Spontanität
habe ich mir durch all die Jahre nun wirklich bewahrt: Das Pseudonym kam
spontan und das Outing jetzt auch. Sie haben mich doch selbst dazu überredet!
Neulich in Frankfurt. Mit dem diskreten aber wirkungsvollen Hinweis, allen
Spekulationen endlich ein Ende zu bereiten. Im übrigen: Meine geliebten
Bündnisgrünen würden mir die Ohren lang ziehen, wenn ich
solche Wahlkampfhilfe betriebe. Wir sind zwar immer für eine überraschende
Aktion gut, aber die hat dann doch in der Regel eine politische Relevanz.
(Entschuldigen Sie bitte, wenn ich hier für einen Außenminister
etwas flapsig antworte. Aber ich schreibe hier nicht als Politiker. Den
Nadelstreifenanzug habe ich abgelegt. Ich schreibe als Joschka, mit Spaß
an der Sache, in Turnschuhen und einem guten Glas italienischen Rotwein
neben sich.) |
Als die rotgrüne Regierungskoalition 1998 ihre
Arbeit aufnahm, galt für Bundeskanzler Gerhard Schröder anfangs
die Devise "Regieren muss Spaß machen": es gab Hochglanzportraits
in der "Gala" und einen Auftritt bei "Wetten Dass ...?". Proteste und Unmut
regten sich, so dass er auf weitere Aktivitäten verzichtete und sich
aus weiteren Aktionen Dritter ("Ho mir ma 'ne Flasche Bier"), so gut es
eben ging, heraushielt. Können Sie es mit der Würde all Ihrer
Ämter vereinbaren, ganz offen Trivialliteratur für Kinder zu
schreiben? Fürchten Sie da keine Imageschäden?
Imageschäden? Joschka? Leute, bleibt mal auf dem Teppich!
Ich bin doch nicht nur bekannt wie ein bunter Hund sondern gelte auch als
ein solcher. Ich war Buchhändler, Taxifahrer, Apo-Aktivist, habe mich
in Turnschuhen unter Börner vereidigen lassen und das Aussitz-System
Kohl durchlebt, meinen Sie wirklich, da würden mich die drei ??? schädigen?
Ich würde dieses Outing nicht überbewerten. Meine Autorenschaft
wird die Spiegelredakteure höchstens zu einer Randnotiz hinreißen
lassen und vielleicht wird der ein oder andere Kollege aus der Opposition
nach einem darauf folgenden verächtlichen Hinweis im Focus endlich
mal zu einem drei ???-Buch greifen, um zu sehen, ob er mir damit was Übles
anhängen kann. Allein - er wird wenig finden. Nein, die Angst vor
Imageschäden war nicht der Grund für die Wahl des Pseudonyms!
Im übrigen widerspricht diese Annahme diametral dem in der Frage zuvor
geäußerten Verdacht, ich würde gerade aus PR-Gründen
drei ??? schreiben. Eins ist so falsch wie das andere. |
Sind Sie auf Spott à la Stefan Raab und Schlagzeilen
wie "Die drei ??? und der grüne Geist" oder "Mein Name ist Joschka
Jonas" vorbereitet?
Ach Gott, auf Spott bin ich doch immer gefasst! Wobei der von
Harald Schmidt in seiner Qualität um Längen den Spott unserer
bemühten Opposition schlägt. Und Stefan Raab? Sieht seine Sendung
überhaupt noch jemand? - Aber schön, dass Sie den grünen
Geist erwähnen. Er ist in der Tat eins meiner Lieblingsbücher
der Serie und bei mir zum geflügelten Wort geworden. Ich habe ihn
schon in mehrere Reden einfließen lassen ... Und was Joschka Jonas
betrifft: Der Vergleich hinkt. - Seit ich jogge, habe ich gewichtsmäßig
deutlich abgenommen! |
In Ihrem Tagesablauf bleibt bestimmt wenig Zeit fürs
Schreiben. Wie schaffen Sie es dennoch, einmal im Jahr zur Feder zu greifen?
Zudem scheinen Sie über das Internet immer auf dem Laufenden zu sein
und stehen regelmäßig in der Fragebox Rede und Antwort. Ist
das Bundesaußenministerium eine heimliche drei ???-Hochburg?
Bevor ich das Außenministerium übernahm, hatte ich
mich in der Tat öfters gefragt, was die eigentlich den lieben langen
Tag so treiben ... Nein, im Ernst. Wir lesen dort Akten - und keine Kinderbücher.
Was aber stimmt: Über unsere Auswärtige-Amt-Vertretung in LA
habe ich eine, zwei kleinere Recherchen laufen lassen. Marina Del Rey zum
Beispiel. (Ich hoffe, ich bekomme jetzt nicht ein Verfahren angehängt
wegen Vorteilnahme.) |
Könnte es sich bei "Ben Nevis" nicht vielleicht
doch um ein Sammelpseudonym handeln, unter welchem nicht nur Sie, sondern
auch Ihre Mitarbeiter fungieren?
Entschuldigung. Die drei ??? sind selbstredend Chefsache! Und
Zeit habe ich mehr, als man ahnt: Beim Joggen kommen mir in der Regel die
Grundideen ... Und wenn ich in den Flugzeugen über die Ozeane der
Welt jette, findet sich so manches Stündchen, um alles niederzuschreiben.
Eure Fragen in der Fragebox kopiert mir übrigens meine engste Mitarbeiterin,
die bisher als einzige eingeweiht war und die auch die Geschichten gegenliest.
Die Antworten in eurer Box stammen aus den Hotels aus aller Welt. |
Waren Ihre Parteikollegen eingeweiht? Wie stehen sie
zu Ihrer Tätigkeit als Autor?
Tja, jetzt habt ihr mich erwischt! Hier liegt der Grund für
das Pseudonym! Nicht die anderen sind's - es sind die eigenen Leute. Bevor
nämlich der Antrag meiner Autorenschaft durch siebzehn Parteigremien
gewürgt und heftig die Frage diskutiert wird, ob aus Quotengründen
nicht eher eine Frau Autorin bei den drei ??? werden könnte - vor
allem aber, ob Amt und Hobby nicht in zwei Personen getrennt werden müsse,
habe ich lieber zu Ben Nevis gegriffen. Denn wer lässt sich schon
gerne zweiteilen? - Inzwischen sind die Kollegen zum Glück etwas realer
eingestellt und ich habe auf dem letzten Parteitag die ersten Grünen
entdeckt, die ein drei ???-Buch dabei hatten ... |
Kam es schon einmal vor, dass Ihre Partei-
oder Kabinettskollegen, vielleicht gar Politiker aus dem Ausland, Ihnen
einen kreativen Anstoß gegeben haben?
Aber natürlich! Wir reden ja nicht den lieben langen Tag
über Politik und sind froh, wenn wir auch andere Gesprächsanlässe
finden. Dann geht manch anderes plötzlich viel leichter. Warum wohl
meinen Sie, dass ich mich mit Madeleine Albright so gut verstanden habe?
Ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage: Maddy ist ein alter Three Investigators-Fan!
Es gab nicht wenige Konferenzen, auf denen wir bei dem endlosen Geschwätz
einiger unserer Kolleginnen und Kollegen heimlich drei ???-Geheimnisse
besprochen haben. Besonders hat sie sich für die deutsche Fortsetzung
der Serie interessiert - und da konnte ich sie gut aufklären! - Nun,
jetzt mit President Bush ist es leider schwieriger. Ich habe ihn letztens
in den Staaten bei einer Dinnerparty auf die Bücher der Jungs angesprochen
und er antwortete doch tatsächlich, fürs Lesen interessiere er
sich nicht, ob's die denn nicht auch als Film gäbe. Und als er gehört
hat, dass es in den Geschichten keine Leichen gibt ... also, Leute, vergesst
es. Am liebsten hätte er eine amerikanische Flagge in die Detektivzentrale
gehängt. Doch die drei ??? sind keine politische Veranstaltung. Sie
sind Urlaub davon. Zumindest für mich. Clinton war da übrigens
besser. Er konnte allerdings nicht nachvollziehen, dass wir Deutschen die
Freundinnen unter den Tisch fallen lassen. Sein im Scherz geäußerter
Wunsch nach einer Nebenrolle für eine Praktikantin ("Call her Monica")
habe ich erst im Nachhinein so richtig verstanden. (Lest mal in Verdeckte
Fouls die Doria-Szene, und dann ist da noch die Rangerin Monica aus dem
Feuerturm ...) Aber das sei ihm verziehen. Clinton - der wusste was mit
der amerikanischen Krimikultur anzufangen. |
Wenn findige Journalisten nun mit der Lektüre
Ihrer drei ???-Werke beginnen und versuchen, die Handlungen und ihre Personen
zu deuten und Vergleiche mit dem tagespolitischen Geschäft anzustellen
- wäre Ihnen das gleichgültig? Oder fürchten Sie um das
Aufdecken versteckter Botschaften in Ihrem Werk?
Die sollen ruhig suchen, die findigen Journalisten. Sie werden
kaum auf etwas stoßen. Die drei ??? sind für mich eine Bühne,
die glücklicherweise wenig mit meiner Arbeit als Außenminister
zu tun hat! |
Noch einige Fragen bezüglich Ihres persönlichen
Verhältnisses zu der Buchserie. Uns interessiert natürlich sehr,
wie Sie zu einem Fan der drei ??? geworden sind? Ende der 1960er Jahre
waren Sie bereits stark politisch engagiert und entsprachen ganz sicherlich
nicht mehr der Zielgruppe ...
Das denken Sie! Was glauben Sie denn, was ich als Taxifahrer
nachts in den langen Wartezeiten gelesen habe? Oder bei den endlosen Diskussionen
in den Frankfurter WGs? Doch nicht nur die Maobibel und Horkheimer? Das
hält doch kein Mensch auf Dauer aus! Dazu stand und stehe ich viel
zu sehr im Leben drin. Natürlich habe ich mir meine Zeit auch mit
den drei ??? vertrieben, schon damals! Vergessen Sie nicht, dass ich einmal
Buchhändler war. Dort habe ich die drei ??? kennen und schätzen
gelernt. Ich kann mich noch genau erinnern, wie die Verlagsvertreterin
des drei ???-Verlags in unseren Laden kam und mir ein Freiexemplar in die
Hand gedrückt hat mit den Worten: 'Sie können ja nicht den ganzen
Tag Suhrkampbücher lesen, Joschka!' Damit hatte sie Recht! - Und nebenbei
bemerkt: Justus hat doch manchmal was anarchisches, oder? |
Fanden Sie Gefallen an den kommentierenden Einschüben
und dem erhobenen Zeigefinger Alfred Hitchcocks?
Eine hinterhältige Frage, aber Sie werden verstehen, dass
mir bei meiner politischen Herkunft ein erhobener Zeigefinger nicht sehr
sympathisch ist. Auch wenn man mir gelegentlich nachsagen möge, ich
würde selbst gerne einen solchen gebrauchen. Aber im Ernst: Der erhobene
Zeigefinger ist ein Relikt der sechziger Jahre. Es gibt charmantere Möglichkeiten,
das Mitdenken anzuregen und vielleicht sollten wir Autoren uns dazu etwas
einfallen lassen. |
Im Jahre 1979 erschienen die ersten Drei ???-Hörspiele;
1979 wurden aber auch die "Grünen" gegründet. Zufall?
Ich kann beim besten Willen keinen Zusammenhang erkennen außer
den, dass große Innovationen oft gleichzeitig geboren werden ... |
An Ihrem Erstling "Pistenteufel" müssen Sie 1996
geschrieben haben. Wie kamen Sie damals mit dem Kosmos-Verlag in Verbindung?
Haben Sie sich über ein Manuskript empfohlen?
Kosmos ist ja auch ein grüner Verlag. Ich meine das nicht
politisch, sondern im Hinblick auf die anderen Themen, die dort publiziert
werden: Naturführer, Gartenbücher. Ich hatte Verbindung zu Kosmos
über ein Greenpeaceprojekt, und ...
Nein, nein, glaubt mir nicht alles! Ich habe ganz platt unter Ben Nevis
dorthin geschrieben, ein Manuskript dazugelegt sowie das Script für
drei, vier weitere Projekte. Und es hat geklappt. Ich hatte einfach Glück.
Um wen es sich in Wirklichkeit handelte, wusste Kosmos anfangs gar nicht.
Inzwischen nimmt man es gelassen und sogar mit den anderen beiden Autoren
stehe ich in losem Kontakt. Die nehmen es locker, die Jungs. |
Wie geht es mit den drei ??? weiter - nun, da Sie
sich "geoutet" haben?
Bestens. Den drei ??? ist es zum Glück vollkommen egal, ob ich
mich oute. Für mich selbst wird es schwierig, wenn wir im Herbst aus
der Regierung fliegen: Denn dann fehlt mir die Zeit in den Flugzeugen ...
Also, bitte: Grün wählen, wenn Ben weiterschreiben soll! (Ein
gefährliches Argument - denn jetzt rufen die Erzfeinde von Ben Nevis
unter euch sofort zum Boykott der Grünen auf ...)
So, mein Rotwein neigt sich wie Ihre doch etwas umfangreichen Fragen
dem Ende zu und eben klingelt mein Handy. Der Boss hat morgen ein Problem
im Bundesrat, wozu er sich in der Bewertung mit mir noch abstimmen möchte.
Schönen Gruß an die drei ???-Fans. Bleibt den drei Jungs treu,
auch wenn nicht immer alles so läuft, wie ihr es euch vorstellt!!!
Und: Schade - ein Geheimnis weniger in der Welt ... |
Vielen Dank für das Interview, Herr Fischer! |
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Bemerkung: Dieses Interview war natürlich
nur ein Aprilscherz von uns. Wer sich wirklich hinter Ben Nevis versteckt,
wird er uns irgendwann in der fernen Zukunft verraten, vielleicht schaut
Joschka dann ja doch vorbei.... Ben Nevis war in diesen Aprilscherz eingeweiht,
die Antworten stammen von ihm.
zum Autorenspecial
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